Die HONDA Z100 in Neckarsulm

Im Jahr 2016 durfte ich Teil einer Geschichte sein,

die Fachleute später als Sensation bezeichneten.

"Eine ganz besondere Monkey"

Im Herbst 2016 begannen im >>Deutschen Zweirad- und NSU-Museum<< in Neckarsulm die Arbeiten für die für 2017 geplante Sonderausstellung „Verborgene Schätze – Einblick in unser Depot“. Das Vorbereitungsteam stieß dabei in dem für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Depot des Museums auf eine kleine, eingestaubte aber sehr gut erhaltene HONDA Monkey. Dieses Modell älteren Baujahrs konnte Vorort zunächst niemand konkret zuordnen. Deshalb wandte sich Kurator Manfred Ratzinger am 18. Oktober 2016 an den Deutschen Monkey Club, der als vermutlich ältester deutscher Monkey-Verein (gegründet 1978) nicht nur über eine langjährige Erfahrung sondern bekanntermaßen auch über ein sehr gutes Expertennetzwerk in Sachen HONDA-Monkey verfügt.

Am 18. Oktober 2016 schrieb er an mich als Webmaster:

 

Gesendet: Dienstag, 18. Oktober 2016 um 14:35 Uhr
Von: „Manfred Ratzinger“
An: webmaster@monkeycross.de
Betreff: Honda 50 ccm

 

Hallo Herr Haidle,

kennt sich jemand in Ihren Kreisen mit den 50 ccm-Hondas aller Baujahre und Typen gut aus? 

Oder können Sie mir sagen, was das genau

im angehängten PDF ist?

 

Mit freundlichen Grüssen Manfred Ratzinger

Bei mir war die Anfrage gleich in den richtigen Händen. Bin ich doch seit den 1970ern in der Szene aktiv und interessiere mich nicht nur fürs MonkeyCross sondern seit jeher auch für die klassischen, originalgetreuen HONDA Monkeys.

Allerdings kam die Anfrage zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn ich war gerade mitten in einem sechswöchigen Klinikaufenthalt und konnte schmerzbedingt den PC kaum bedienen. Da ich jedoch sofort erkannte, dass es keine HONDA CZ100 sein konnte, war ich angefixt und ging noch am selben Abend meinem Verdacht nach. Am nächsten Tag war ich mir sicher, dass es sich hier um einen echten Juwel handelt, nämlich um die extrem seltene, von HONDA nie vermarktete, Z100.


Nach einem Telefonat mit Manfred Ratzinger schrieb ich ihm nur einen Tag nach der Anfrage folgende Mail:

Gesendet: Mittwoch, 19. Oktober 2016 21:29 Uhr
Von: Jürgen Haidle
An: Manfred Ratzinger
Betreff: Aw: Honda 50 ccm

 

Hallo Manfred,

das abgebildete Fzg ist eine Honda Z100, also die Ur-Monkey…

Z100 und CZ100 kannst du am besten am Tank und am eckigen Schutzblech (hinten) unterscheiden…
Schon eine Z50M und eine CZ100 sind extrem selten, aber eine Z100 habe ich noch nie gesehen (nur im Internet).

Die Z100 ist ein echter Juwel; glaubt man div. Internetseiten, so gibt es davon weltweit nur noch weniger als fünf Exemplare…

 

Viele Grüße Jürgen Haidle

Weitere Recherchen in den Unterlagen des Museums in Neckarsulm haben dann ergeben, dass die Z100 eine Schenkung der Firma HONDA war. Nach einer Motorschau in London kam sie 1962 zur Internationalen Fahrrad- und Motorradmesse (IFMA) nach Frankfurt, wo sie vom 26. bis 30.09.1962 zu sehen war; und 1964 dann als Gabe nach Neckarsulm.

 

Warum HONDA hierfür gerade das Neckarsulmer Museum ausgesucht hatte, konnte im Nachhinein nicht mehr geklärt werden. Zwar hatte das am 19. Mai 1956 eröffnete Museum bereits 1964 einen hervorragenden internationalen Ruf, doch vielleicht kam der „Befehl“ auch von ganz oben, vom HONDA-Chef aus Japan. Denn Firmengründer Soichiro Honda besuchte in den 1950ern das NSU-Werk des damals weltgrößten Zweiradherstellers in Neckarsulm und war von der Konstruktion des NSU-Fox Motors begeistert. Von ihm übernahm er die Idee der Schleuderschmierung und realisierte diese im Motor der HONDA C100, folglich also auch in der Z100.

 

Auch unter Fachleuten war der Verbleib einer HONDA Z100 in Deutschland im Jahr 2016 nicht bekannt. In keinen mir bekannten und öffentlich zugänglichen Quellen war ein Hinweis darauf zu finden, dass in den Museumskatakomben in Neckarsulm ein derartiger Schatz schlummerte.

Zu diesem Zeitpunkt war in Fachartikeln zwar vermutet worden, dass weltweit noch drei Exemplare der HONDA Z100 existieren, als gesicherter Verbleib war allerdings nur das Exemplar im HONDA-Museum in Motegi/Japan publiziert. 

So war beispielsweise in dem in der Monkey-Szene anerkannten Buch „Das deutsche Monkeybooklet“ damals zu lesen:

„Von den drei, angeblich heute noch existierenden Exemplaren ist nur die Existenz einer Z100 gesichert:

Diese ist – zusammen mit anderen Monkeys – in der HONDA Collection Hall im japanischen Motegi ausgestellt.“

Nur wenige Experten wussten seit 2014 von der Existenz einer zweiten Z100 in Seattle/USA. Doch wie gesagt, die in Neckarsulm hatte keiner auf dem Schirm.

 

Wie selten eine HONDA Z100 heutzutage ist, brachte das Motorrad Magazin MO auf den Punkt. In der Ausgabe 3-2006 wird die Z100 als die blaue Mauritius unter den Monkeys bezeichnet.

Die HONDA Z100 ist die Ur-Monkey schlechthin, ein Mini-Moped mit 50-ccm-Viertaktmotor und untenliegender Nockenwelle (OHV), das ab 1961 im HONDA-Freizeit- und Vergnügungspark TamaTech in Japan zum Einsatz kam.


1962 wurden zwei Exemplare der Z100 auf Messen in London und Frankfurt vorgestellt und ab 1963 der in Serie gefertigte Nachfolger, die CZ100, zum Verkauf angeboten.


Die Ur-Monkey, die Z100 wie wir sie hier haben, wurde jedoch nie vermarktet und nur in sehr kleiner Stückzahl (weniger als 20 Stk.) handgefertigt. Der Tank verbirgt sich unter einer Kunststoffblende mit einem einseitigen Tankemblem mit der Aufschrift „HONDA 50“. Die Z100 war vorne und hinten ohne Federung und mit kleinen 5-Zoll-Rädern ausgestattet.

Im Jahr 2017, ein halbes Jahr nach der Entdeckung, wurde die extrem seltene HONDA Z100, Bj. 1961, im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm, im Rahmen der Sonderausstellung „Verborgene Schätze – Einblick in unser Depot“ der Öffentlichkeit präsentiert.
Danach wurde sie aufgrund ihrer Bedeutung in die Dauerausstellung des Museums integriert.

Nach der Präsentation wurden viele Abhandlungen, auch in renommierten Medien wie bspw. „Nippon-Classic.de“ und „Das deutsche Monkeybooklet“, über die HONDA Monkey und die HONDA Z100 korrigiert beziehungsweise ergänzt.


Inzwischen ist über die Z100 in Wikipedia zu lesen:

„Von der Z100 sind heute nur noch drei Exemplare bekannt. Eines befindet sich in Privatbesitz eines Sammlers bei Seattle/USA, ein zweites steht standesgemäß im HONDA-Museum in Motegi/Japan und das dritte Modell tauchte als Sensationsfund im Juni 2017 im „Deutschen Zweirad- und NSU-Museum“ im schwäbischen Neckarsulm auf, wohin es 1964 als Schenkung des Herstellers gelangt war.“

Jürgen Haidle, Oktober 2023

Bildnachweis (von oben nach unten):

Bild 1: NSU-Museum

Bild 2: Manfred Ratzinger

Bild 3: „Little Honda“, Buch von Gerfried Vogt-Möbs

Bilder 4 – 7: Eigene Aufnahmen

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